Prof. Dr. Dr. hc. Gerhard Friedrich

wäre am 6. Dezember 2010 100 Jahre alt geworden. Anlass genug, eines hervorragenden Wissenschaftlers und Kollegen zu gedenken, der den Standort Pillnitz als Zentrum der Forschung für den Obstbau weit über die Grenzen Sachsens und Deutschlands hinaus bekannt gemacht hat. Das Wirken von Professor Friedrich wurde kürzlich im Rahmen der Mitteldeutschen Obstbautage, die vom 30.11. bis 01.12.2010 im Rahmen der Pillnitzer Obstbautage in Sachsen stattfanden, gewürdigt.
Im Jahr 1956 wurde Professor Friedrich zum Direktor des damaligen Instituts für Gartenbau, später Institut für Obstforschung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR in Dresden-Pillnitz berufen. Während seiner 17jährigen Tätigkeit an der Spitze des Pillnitzer Instituts prägte er maßgeblich das Forschungsprofil.
Nach dem Studium der Pflanzenphysiologie bei Professor Wilhelm Ruhland an der Universität Leipzig arbeitete Professor Friedrich zunächst an der Obstbauversuchsanstalt Jork im Alten Land bei Hamburg. Dort beschäftigte er sich unter der Leitung von Professor Ernst Ludwig Loewel mit Fragen der Schorfbekämpfung beim Apfel. In dieser Zeit entwickelte er die Sporenfalle zur Feststellung des Acsosporenfluges. Im Anschluss daran arbeitete Professor Friedrich im Pflanzenschutzamt Stuttgart. 1951 erhielt er die Berufung zum Direktor des Instituts für Obst- und Gemüsebau der Universität Halle. 1956 folgte er dem Ruf nach Pillnitz.
Bemerkenswert aus heutiger Sicht ist, dass Professor Friedrich als Leiter des Pillnitzer Instituts zielgerichtet und umfassend die physiologische Forschung etablierte und sie auf ein recht kompliziertes mehrjähriges Objekt, die Obstbäume, ausrichtete. Pflanzenphysiologie ist die Wissenschaft von den Lebensvorgängen der Pflanze und von deren (bio)chemischen Grundlagen. Diese Prozesse an Baumkulturen zu erforschen stellt, nicht zuletzt aufgrund einer komplizierten Versuchsanstellung, eine Herausforderung dar. Professor Friedrich gelang es in fast zwei Jahrzehnten eine Grundlagenforschung aufzubauen, deren Ergebnisse noch heute Bestand haben und internationale Anerkennung finden. Die physiologischen Arbeiten konzentrierten sich u.a. auf die Prozesse der Blüten- und Ertragsbildung von Obstgehölzen unter Berücksichtigung der Umweltverhältnisse und des Sortenverhaltens. Fast sah es so aus, dass die Pflanzenphysiologie seit den 1990-er Jahren an Bedeutung verlieren würde. Im Zeitalter der Molekulargenetik sind die Ergebnisse der physiologischen Forschung jedoch unabdingbar, um die Funktionalität der Gene erklären und bestimmte Stoffwechselprozesse nachvollziehen zu können.
Das Genom des Apfels wurde in diesem Jahr publiziert. Wir kennen die Buchstaben, können die Wörter aber nur bruchstückhaft lesen. Es wird noch sehr lange dauern, ehe wir wissen, welche Gene welche Prozesse bestimmen.
Die Physiologie, deren Grundlagen Professor Friedrich maßgeblich in Pillnitz gelegt hat, ist ein wertvolles Handwerkszeug, um beim Lesen der Buchstaben voranzukommen.
Es wäre Professor Friedrich sicher eine Freude gewesen, wenn er hätte miterleben könnte, wie nunmehr die Molekulargenetik viele pflanzenphysiologische Erkenntnisse zur Blütenbildung, Merkmalsausprägung, zu den pflanzlichen Abwehrmechanismen auf der Ebene der Gene erklären kann.
Ein wichtiges Anliegen für Professor Friedrich war die enge Verbundenheit mit der obstbaulichen Praxis. Auf seine Initiative hin wurde das Obstversuchsgut Prussendorf bei Halle gegründet und unter seiner Leitung als zentraler Konsultationsort für die Obstbauer der DDR und der osteuropäischen Länder entwickelt. Durch zahlreiche Fachseminare und praxisnahe Versuchsanstellungen wurde der Fortschritt im Obstbau der DDR damals von Prussendorf und später vom Pillnitzer Institut aus bestimmt. Professor Friedrich war ein Obstbauwissenschaftler, der mit Weitsicht das Ziel einer intensiven Obstproduktion verfolgt hat. Mit seinen Grundlagenuntersuchungen schaffte er die Voraussetzungen für wissenschaftlich fundierte Praxisentscheidungen. Er setzte sich vehement dafür ein, dass Apfelanlagen auf Ackerland und nicht auf minderwertigen Böden errichtet werden konnten. Dagegen gab es in den 1960iger Jahren in der DDR massive Widerstände, denen er sich mit seiner fachlichen Überzeugung entgegenstellte.
Die wissenschaftlichen Arbeiten von Prof. Dr. Dr. hc. Friedrich erfuhren hohe nationale und internationale Beachtung. So erhielt er u.a. die Ehrendoktorwürde der Universität Budapest.
Hervorzuheben sind seine zahlreichen Veröffentlichungen. Das Standardwerk „Der Obstbau“ erschien in 9 Auflagen und prägte viele Obstbaugenerationen in Deutschland und darüber hinaus.
Ein weiteres Standardwerk ist auch die „Physiologie der Obstgehölze“. Es zeugt von großer Energie und enger Verbundenheit zum Obstbau, dass kurz vor seinem 90. Geburtstag die dritte und letzte Auflage erschien.
Mit seinem konsequenten Wirken für einen modernen Obstbau stieß Professor Friedrich in der DDR jedoch an die Grenzen des politischen Systems. Das führte 1973 zu seiner Zwangsemeritierung. Seine Leistungen wurden mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR in Bronze gewürdigt. Es war bewundernswert, wie Professor Friedrich die Demütigung der Zwangsemeritierung verkraftete und sich durchgerungen hat, seine obstbaulichen Erfahrungen dem Berufsstand weiterzugeben und nutzbar zu machen. Im Institut durfte er einen Arbeitsplatz für seine schriftstellerische Tätigkeit behalten. Bis in das hohe Alter begann er den Arbeitstag täglich ab 07:00 Uhr an seinem Schreibtisch und stellte sein obstbauliches Wissen für nachfolgende Generationen zusammen.
Neben den bereits erwähnten zwei Standardwerken in mehreren verbesserten Auflagen veröffentlichte Professor Friedrich die Bücher „Obstbau in Wort und Bild“, „Seltene Obstarten“, „Obstsorten“ und „Pflanzenschutz im integrierten Obstbau“. Im letztgenannten Werk stellte er bereits 1987 die Bedeutung der Bestandsüberwachung in Obstanlagen heraus. An dieser Stelle muss auch seine langjährige Tätigkeit als Chefredakteur der Zeitschrift „Archiv für Gartenbau“ (später vereinigt mit „Gartenbauwissenschaft“) genannt werden. Professor Friedrich hat das anerkannt hohe wissenschaftliche Niveau wesentlich geprägt.
An dieser Stelle sei auch auf seine Initiativen zur Organisation wissenschaftlicher Tagungen und besonders von internationalen Konferenzen zu „Physiologischen Fragen im Obstbau“ in Pillnitz verwiesen. Die Ergebnisse wurden in speziellen Tagungsberichten zusammengefasst.
Professor Friedrich hatte am 11. Oktober 2002 seinen letzten öffentlichen Auftritt, an seiner langjährigen Wirkungsstätte in Pillnitz. Dort vermittelte er die Botschaft, dass nur höchste Fruchtqualität der Schlüssel zum Erfolg im Obstbau in der heutigen Zeit ist. Mit dieser Aussage wies er uns den Weg zu einem obstbaulichen Erfolg.
Wir bewahren Professor Friedrich als einen hervorragenden Obstbauwissenschaftler im ehrenden Gedenken.

Prof. Dr. Magda-Viola Hanke (Julius-Kühn-Institut)
Dr. Wolf-Dietmar Wackwitz (Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie)