Wer war Alexander Steffen?

Diese Frage werden sich in heutiger Zeit viele stellen, wenn sie vom „Steffen-Bau" in der neuen Versuchsgärtnerei in Pillnitz hören. Geboren wurde Alexander Steffen am 24. November 1871 in Pommern. Seine Lehrzeit absolvierte er zusammen mit Karl Foerster in Schwerin in Mecklenburg und besuchte 1891/93 die Königliche Gärtnerlehranstalt in Wildpark bei Potsdam. Die Wanderjahre führten ihn in Betriebe in Berlin, Hannover, Magdeburg, Dresden. Als 29-jähriger trat er in die Schriftleitung des damaligen „Praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau" im Verlag Trowitzsch, Frankfurt/Oder, ein und wurde später verantwortlicher Leiter der Redaktion sowie des umfangreichen Versuchsgartens. Nach 22 Jahren erfolgreichen Wirkens erwartete ihn dann eine neue Herausforderung. Anfang 1922 berief das Sächsische Wirtschaftsministerium in Dresden Alexander Steffen zum Direktor der Staatl. Versuchs- und Beispielsgärtnerei in Pillnitz.
Als Fachmann mit ungewöhnlichen betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten wandelte er die ursprünglich als Luxusbetrieb geschaffene Gärtnerei ohne staatliche Zuschüsse zu einem Versuchs- und Beispielsbetrieb.
In späteren Jahren war er auch Fachlehrer an der Höheren Staatslehranstalt für Gartenbau am gleichen Ort.
Steffens ganze Kraft galt nun vorwiegend dem Erwerbsgartenbau, der Mitarbeit in der Fachkammer für Gartenbau und in den freien Berufsvereinigungen, dazu dem Berufsnachwuchs. Vielfach wurden seine Mitarbeit und sein Rat gefragt. Das Vertrauen der Anbauer berief ihn auf den Vorstandssitz der "Vereinigung der Azaleen-, Camelien- und Erikenzüchter Deutschlands"
Auch als Gutachter wurde er oft bestellt. Der 12.internationale Gartenbaukongress in Berlin verlieh ihm das Ehrenamt als Sektionsobmann und Generalberichterstatter für den Blumen- und Zierpflanzenbau.

Steffen war überall der große Anreger, oft seiner Zeit vorauseilend, der gerechte, offene, unbestechliche Urteiler, der nie versagende, zuverlässige, pünktliche Mitarbeiter und Helfer, wo immer man einen klaren Kopf mit scharfem Verstand, aber auch mit warmen Gärtnerherzen brauchte. In Vorträgen, Aussprachen, Büchern und Aufsätzen, Betriebsführungen und Fachprüfungen verstand er es immer wieder auf das Wesentliche hinzuführen. Auch auf sein züch-terisches Schaffen ist hinzuweisen, weiterhin auf seine Erfahrungen und Überlegungen zur gärtnerischen Betriebslehre, hier auf Gestehungskostenberechnungen und Ermittlung von Arbeitsleistungen u.a.m. Bekannt und begehrt wurden sein schönes Lilienbuch und selbstverständlich sein klassisches Werk für den Erwerbsgärtner, das „Handbuch der Marktgärtnerei".
Im Jahr 1936 gab Steffen die Leitung der Versuchs- und Beispielsgärtnerei ab. Mit Anerkennung und Unterstützung des sächsischen Staates machte er sodann eine Studienreise nach Amerika. Auch sonst ist er viel im In- und Ausland gereist, um die Entwicklung des Gartenbaues zu verfolgen. Er siedelte nach Erfurt über und war dort neben seiner publizistischen Arbeit in umfangreichem Maße züchterisch tätig.

Eine enge Zusammenarbeit verband ihn mit der Fa. F.C. Heinemann, die auch seine Neuzüchtungen in den Handel brachte. Eine besondere Ehrung erfolgte 1952 durch die Humboldt-Universität Berlin durch die Auszeichnung mit der Ehrendoktorwürde. Erstmalig verlieh der Zentralverband Gartenbau seine höchste Auszeichnung, die Georg-Arends-Gedächtnismünze, an Steffen anlässlich des Gartenbautages in Essen für seine Zuchterfolge bei Azaleen, Iris, Flieder, Lilien, Paeonien, Clematis, Rhododendron.

Am 11. September 1952 starb Dr. agr. h.c. Alexander Steffen , dem es vergönnt war bis ins hohe Alter für unseren Beruf wirken zu können. Bereits zu dieser Zeit wurde ausgesprochen, ihm als Dank für die stete Förderung des Gartenbaus ein Denkmal zu setzen, was jetzt in Pillnitz, an der ehemaligen Stätte seines Wirkens mit dem „Steffen-Bau " Wirklichkeit wurde.

Dr. Manfred Ernst (2003)

Wahre Geschichten um Alexander Steffen

Alexander Steffen, in Pillnitz kurz Alex genannt, war ein gar gestrenger Herr. Er legte harte Maßstäbe an sich und andere, bei der Arbeit, aber auch allgemein.
So war in der Staatsgärtnerei selbstverständlich das Rauchen während der Arbeit verboten.

Einst geschah folgendes:
Wir – Gehilfen und Lehrlinge – waren im Verbinder des Azaleenblockes beim Azaleen-Eintopfen. Trotz des Verbotes konnte Junggehilfe B. aus dem Hannover’schen es wieder einmal nicht lassen, sich eine Zigarette anzustecken. Da ging die Türe zum Verbinder auf, Steffen kam – etwas verfrüht – vom Mittagstisch in die Häuser. Doch B. war so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen. Rasch die Zigarette auf die Tischplatte geworfen und einen 14er Topf darüber gestülpt war Sekundensache. Doch die kleinen Teufelchen hatten wie so oft die Hände mit im Spiel. Irgendein Scherbenstückchen oder Holzbröckchen kam unter den Topfrand zu liegen, so dass sich ein Luftkanal bildete mit dem Ergebnis: Aus dem Topfloch schlängelte sich duftender Zigarettenrauch blau-grau in die Lüfte. Es war wirklich allerliebst anzusehen. Uns blieb vor Schreck und Mitgefühl gegenüber B. fast das Herz stehen. Was würde geschehen? Natürlich merkte Steffen sofort die Tragig-Komödie. Er schaute, schnupperte, sagte aber kein Wort. Sekundenlang blickte er auf den rauchenden Mini-Kamin, dann dem Verursacher des Schauspiels tief und ernst in die Augen. Schweigend ging er von Dannen.
Kollege B. hat meines Wissens in Pillnitz nie mehr während der Arbeit geraucht.

Typisch Steffen, aber andersrum, war auch dieses Erlebnis:
Erster Weihnachtsfeiertag 1928. Der Sonntagsdienst hatte seine Gieß- und Spritzarbeiten und das beim vormals königlichen Hofgärtner Kuttak unvermeidliche Kehren und Harken der ohnedies sauberen Sandwege in den Gewächshäusern beendet. Wir waren in Weihnachtsstimmung, die anderen vier Diensthabenden und ich, der Lehrling. Drängten mich die anderen oder packte mich das Festfieber? Ich ging, holte meine Geige und spielte zur Freude der Kollegen „Weihnachtslieder unter Glas“. Das hatte Pillnitz mich nicht erlebt. Zuletzt saß ich oben auf einem der Hängebretter für Aspagus unserer ziemlich hohen Hausverbinder und fiedelte lustig drauf zu, was mir so in den Sinn kam.
Ich weiß wie heute, dass ich gerade aus der Oper Troubadour die Arie „Eine Zigeunerin, furchtbar zu schauen…“ mit enormer Begeisterung aus der Violine lockte, als sich die Tür zu den Gewächshäusern öffnete – Steffen machte seinen Feiertagsrundgang. Die übrigen Diensthabenden waren mit Besen und Kannen im Nu in den verschiedenen Gewächshäusern verschwunden und beobachteten gespannt, was sich nun ereignen würde. Ich hatte geistesgegenwärtig von meiner Zigeunerin abgelassen und mich auf „Fröhliche Weihnacht überall“ umgestellt. Steffen blieb zu meinen Füßen stehen, schaute etwas verwundert auf den „Fiedler unterm Dach“, offenbar leicht schockiert durch den rapiden musikalischen Stimmungswandel und ging ohne ein Wort zu sagen stillvergnügt lächelnd weiter. Weihnachten, das schöne Fest der Menschenliebe, hatte auch ihn offensichtlich erfasst.

Sigrid Kienast (2004)