Hans Felix Kammeyer

Der Name Hans F. Kammeyer ist eng mit der Geschichte der gärtnerischen Ausbildung in Pillnitz verbunden. Der bedeutende Lehrer, Dendrologe und Gartenarchitekt, der vor 25 Jahren im Alter von 80 Jahren starb, ist vielen noch in guter Erinnerung. Jetzt wird sein Leben und Werk zum ersten Mal im Rahmen einer Diplomarbeit bearbeitet.
Wer sich mit dem Leben und Werk von Hans Felix Kammeyer beschäftigt, stößt bald auf eine seiner hervorragendsten Eigenschaften: seine Vielseitigkeit. Gartenbaulehrer, Gartenarchitekt, Dendrologe: Diese Bezeichnungen reichen nicht aus, um ein Lebenswerk zu charakterisieren, das sich auch auf Bereiche wie Gartendenkmalpflege, Geschichte der Gartenkunst, Heimatschutz oder Ingenieurbiologie erstreckt. Die Liste seiner Veröffentlichungen, die neben zahlreichen Broschüren und kleineren Büchern Hunderte von Artikeln in der Tagespresse und in Fachzeitschriften umfaßt, verdeutlicht die Bandbreite der Themenbereiche, mit denen er sich beschäftigt hat.

Hans F. Kammeyer wird am 14.8.1893 als Sohn eines praktischen Arztes in Charlottenburg geboren. Seine erste gärtnerische Ausbildung erhält er ab 1912 an der Königlichen Gärtnerlehranstalt zu Dahlem bei Berlin sowie in der damals international bekannten Handelsgärtnerei von Adolf Koschel in Lichtenberg bei Berlin. Von 1916 - 1920 besucht er den Lehrgang für Gartenkunst an der Lehranstalt für Obst- und Gartenbau zu Proskau in Oberschlesien.
Die erste Staatsprüfung als Gartenbautechniker legt er 1920 im Fachgebiet Gartenkunst ab, anschließend arbeitet er als Gartenbautechniker bzw. freischaffender Gartenarchitekt in Mecklenburg und Schlesien.
Kammeyers Tätigkeit in Pillnitz beginnt 1922, als ihn Ökonomierat Otto Schindler, der vorher über 10 Jahre lang die Lehranstalt in Proskau geleitet hat, an die eben gegründete ”Höhere Staatslehranstalt für Gartenbau” beruft. Kammeyer ist dort als Lehrer für Gartenkunst sowie sozialen und geschichtlichen Gartenbau tätig und leitet anfangs auch die Stelle für Obst- und Gemüseverwertung. In der Abteilung Gartenkunst arbeitet Kammeyer mit Gartenbauinspektor Louis Kniese zusammen. Um die Anstaltsgebäude am Pillnitzer Platz entstehen Lehr- und Versuchsgärten, die den Studenten zur Anschauung dienen sollen. Kammeyer gestaltet einen Blumen- und Staudengarten, der einen ”mit den Mitteln der Gartenkunst verschönerten Teil des Lehrgartens” bilden soll. Hier und in dem sogenannten ”Landhausgarten”, an der Ecke Dresdner Straße - Bodemer Weg gelegen, werden Kammeyers Gestaltungsprinzipien deutlich, die sich einer einfachen Formensprache bedienen und einer geometrisch - architektonischen Gestaltungsweise verpflichtet sind.

Im Juli 1925 legt Kammeyer die zweite Staatsprüfung ab und erhält gleichzeitig die Lehrbefähigung im Gartenbau. Seine Prüfungsarbeit behandelt die Geschichte des Pillnitzer Schloßparkes. Gartengeschichtliche Studien bilden neben der Dendrologie einen Schwerpunkt im Schaffen Kammeyers. Zeit seines Lebens befaßt er sich mit der Geschichte von Pillnitz, hält zahlreiche Vorträge und veröffentlicht viele Artikel zu diesem Thema. Seine Arbeiten über Pillnitz faßt er 1963 - 1965 in dem ”Pillnitzer Lexikon” zusammen, das aus einem Textband sowie zwei Bildbänden besteht.

1934 wird Kammeyer aufgrund seiner ”nichtarischen” Abstammung die Lehrerlaubnis entzogen. Von 1934 bis 1945 arbeitet er als freischaffender Gartenarchitekt und Fachberater in Dresden. In dieser Zeit plant er unter anderem den Terrassengarten ”Am Sonnenhang” in Loschwitz für den Industriellen Kirchbach aus Düsseldorf. Der Garten ist Kammeyers bedeutendste Schöpfung und zeigt sein ganzes gartenkünstlerisches Können. Weiter ist über diese Zeitabschnitt seines Lebens nicht viel bekannt, er widmet sich verstärkt seiner literarischen Arbeit und veröffentlicht zahlreiche Artikel, unter anderem in der Zeitschrift ”Der Deutsche Garten”. Von ideologischer Durchdringung, wie sie zu jener Zeit auch die gesamte gärtnerische Fachpresse ergriffen hat , ist in seinen Artikeln jedoch nichts zu spüren. Ein Nachruf würdigt später seine ”humanistisch - demokratische Gesinnung”

Nach dem Krieg gehört Kammeyer, der im Krieg seinen einzigen Sohn verloren hat, 1945 zu den ”Aktivisten der ersten Stunde”, als es um den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Anstalt geht. Diese trägt seit 1941 die Bezeichnung ”Versuchs- und Forschungsanstalt für Gartenbau und Höhere Gartenbauschule”.
Bis 1946 ist Kammeyer der Leiter der Anstalt, im Frühjahr desselben Jahres werden nach vierjähriger Unterbrechung die ersten Vorlesungen wieder aufgenommen. Bis 1952, als in Pillnitz die Trennung von Forschung und Lehre erfolgt, ist er als Abteilungsleiter der Abteilung Gartengestaltung sowie als Dozent tätig; danach arbeitet er bis zu seiner Pensionierung 1958 beim Pillnitzer Institut für Gartenbau der ”Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften Berlin”.

Die Flächen um die Anstaltsgebäude am Pillnitzer Platz, die unter den Kriegseinwirkungen stark gelitten haben und großenteils von Kleingärten bewirtschaftet worden sind, werden nach 1949 wieder hergerichtet. Das Gelände, auf dem sich vor dem Krieg ein Teichstück und der Lehrgarten befanden, wird 1949 für die Errichtung eines Lehrbienenstandes benötigt. Ab 1950 wird südlich des Mitschurinbaus durch Kammeyers Abteilung ein Schaugarten gestaltet. Er soll ”als Zieranlage auch Lehr- und Anschauungsgarten sein und gleichzeitig ein Aufenthaltsraum für [die] Betriebsangehörigen werden.” Außerdem entsteht ein Versuchsgarten, verschiedene Wasserbecken, ein Unterrichtsplatz im Freien sowie ein Spielplatz hinter dem Schindlerbau. In einem Pflanzgarten an der Lohmener Straße werden die Pflanzen für den Schaugarten gezogen.

Neben der Gestaltung der Gartenanlagen und den damit verbundenen Pflanzenbeobachtungen arbeitet Kammeyer an weiteren Forschungsvorhaben. So führt er 1954 und 1956 die ”Dendrologische Inventur der DDR” durch, schreibt Bücher über Mammutbäume und Zaubernußgewächse, und betreibt historische Studien. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit bildet die Erarbeitung von Grundlagen für die Planung sozialer Gartenanlagen wie Pionier-Parks, Schulgärten, und Volksparke. Seine vielfältigen Interessen und Studien finden ihren Niederschlag in den zahlreichen Veröffentlichungen, die Kammeyer auch nach seiner Pensionierung weiterführt.

Was Kammeyer neben seinem beachtlichen fachlichen Wissen auszeichnete, war seine persönliche Ausstrahlung. Bescheiden, liebenswürdig, gründlich, korrekt, gerecht: Das sind Beschreibungen seiner Persönlichkeit, die in Gesprächen mit ehemaligen Studenten von ihm fallen. Er muß ein ausgezeichneter Lehrer gewesen sein, der es verstand, sein ausgedehntes Wissen so zu vermitteln, daß es praktisch anwendbar wurde. Es ging ihm um die Grundlagen, um die Anwendbarkeit des Gelernten für die gärtnerische Praxis.

Die von Kammeyer und seinen Mitarbeitern errichteten Gartenanlagen haben im Laufe der Jahre viele Veränderungen erfahren. Was heute noch davon übrig ist, wird in Gedenken an den Schöpfer der Anlagen ”Kammeyergarten” genannt. Die Gebäude am Pillnitzer Platz werden vom Fachbereich Landbau und Landespflege der HTW Dresden genutzt. Am Fachbereich Landespflege entsteht auch die Diplomarbeit, die Ende August abgeschlossen wird.
Die gut erhaltenen Teile des ”Kammeyergartens” werden, orientiert an ihrer ursprünglichen Gestaltung, weitergenutzt. Für die stark veränderten Teile des Gartens soll ein zeitgenössischer Entwurf zur Freiraumgestaltung entstehen, um die Anlage wieder ihrer ursprünglichen Funktion als Anschauungsmittel für Studenten zuzuführen, wobei auch der Öffentlichkeit Zutritt gewährt werden soll.
Zum Elbhangfest 1998 war der ”Kammeyergarten” zum ersten Mal für die Öffentlichkeit geöffnet. Zu diesem Anlaß gab es auch in den Räumen der HTW am Pillnitzer Platz eine Ausstellung über Leben und Werk Kammeyers.


J. Hassel (2003)